Paradoxien des Antiwokeismus

In ihrer kleinen korpusanalytischen Studie zum Wort „woke“ in Zeitungs- und Twitterdiskursen der letzten Jahre bringen Lukas Bettag et al. (2023) die Paradoxien des (instrumentellen) Wokeness-Vorwurfs auf den Punkt:

„Es handelt sich bei woke also eher um ein semantisch unterbestimmtes Zeichen mit funktionalem Charakter als um einen Begriff im Sinn der politischen Begriffsgeschichte.
Der Gebrauch der Chiffre woke transportiert damit vieles von dem, was mit ihr kritisiert werden soll: Sie schreibt ihrem Benutzer / ihrer Benutzerin eine privilegierte Einsicht gegenüber den weltfremden ‚Woken‘ zu, durch den Sarkasmus stellt sie eine Überheblichkeit gegenüber dem politischen Gegner zur Schau, sie hebt in ihrer Kritik der Scheinmoral der ‚Woken‘ die eigene Kritik in die Sphäre des Moralischen und hat die Funktion der Ab- und Ausgrenzung. Die Vokabel woke avanciert so zur Grundunterscheidung eines polarisierten Diskurses, der selbst herstellt, was er zu kritisieren vorgibt.“

Literatur

Bettag, Lucas et al. 2023: Woke. Ein Stigmawort zwischen Begriff und Chiffre, Sprachreport, 39, 1, S. 1–13.

(K)eine Arbeitsteilung ist auch keine Lösung – zu Axel Honneths Kritik des bedingungslosen Grundeinkommens

In einem jüngst im Merkur erschienen Auszug aus seinem neuen Buch „Der arbeitende Souverän“ setzt sich Axel Honneth aus einer sozialtheoretischen Perspektive kritisch mit dem Anliegen der Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens auseinander. Dabei weist er die Annahme zurück, dass das bedingungslose Grundeinkommen die Demokratisierung stärke, indem es mehr Freiraum für politischen Engagement schafft. Honneth sieht die Arbeitsbeziehungen als eine Voraussetzung für die politische Vergesellschaftung. Darum wendet er sich gegen den Versuch, Demokratisierung möglichst von der Arbeitswelt zu entkoppeln und plädiert stattdessen für eine Demokratisierung der Arbeitswelt selbst, als Grundlage kollektiver demokratischer Praxis.

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Nationalismus und Demokratie – zwischen Integration und Desintegration

In der aktuellen Ausgabe des Merkur hat Claudia Gatzka einen interessanten Artikel zur Zeitgeschichte des Nationalismus geschrieben. Gatzka fasst Nationalismus nicht als das andere (realer) liberaler Demokratien, sondern als einen mehr oder weniger integrierten oder desintegrierten Bestandteil von diesen. Vor diesem Hintergrund wäre das Auftreten und Erstarken der AfD weniger als ein Neuentstehen nationalistischer Positionen zu verstehen, sondern als ein Prozess deren Desintegration – etwa in iberale oder lonservative Parteien (Gatzka 2023: besonders 19 f.).

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Klaus Kraemer über öffentliche Soziologie im „Schockzustand“ der Corona-Krise – keine Entgegnung

Im Sommer letzten Jahres hat Heinz Bude in der Zeitschrift der Deutschen Gesellschaft für Soziologie über seine Tätigkeit als Berater für die Politik im Hinblick auf die Corona-Politik und seine Aktivität in der No-Covid Initiative geschrieben (Bude 2022). Im jüngst erschienen Heft der Zeitschrift reagiert Klaus Kraemer nun mit einer „Entgegnung“. Auch wenn deutlich ist, dass Kraemer sowohl an der Tätigkeit Budes als auch an seinem Text einiges auszusetzen hat, ist nicht ganz klar, auf was Kraemer nun genau entgegnet, beansprucht Bude doch gar nicht eine These vorzubringen, die man mit einer einfachen Gegenthese beantworten könnte, sondern reflektiert vor allem auf seine Erfahrungen.

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Permanente Öffentlichkeit und das Ende der Intellektuellen

Dass wirkliche öffentliche Intellektuelle heute so rar sind, liegt weniger an der Öffentlichkeit als an der Privatheit. Wir sind alle mit Formen der Öffentlichkeit so kurzgeschlossen, dass Thesen nicht mit Schlagkraft in die Öffentlichkeit treten, sondern vorher schon in tausendfachen Bruchstücken und mannigfaltigen Versionierungen vorformuliert und angetestet sind. Unser Debattenraum ist dementsprechend selbst ein anderer. Er ist viel stärker durch vorläufige und experimentelle Positionierungen gekennzeichnet. Man kann das bedauern, sich versuchen dem partiell zu entziehen, muss dem aber doch als diskursive Realität erst mal Rechnung tragen.

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Festhalten am Unglück – über Fakir Baykurts „Hochöfen“

20 Jahre nach ihrem ursprünglichen Erscheinen sind endlich auch die ersten beiden Bände von Fakir Baykurts Duisburg-Triologie in deutscher Übersetzung erschienen. Dies ist insbesondere auch dem Engagement des Verlags Dialog-Edition und Tayfun Demirs zu verdanken. Während Baykurts Bücher sich bei türkischsprachigen Leser*innen großer Bekanntheit erfreuen, sind sie den deutschsprachigen Leser*innen weitgehend unbekannt. Obwohl Duisburg seit einigen Jahren einen Fakir Baykurt Kulturpreis vergibt, war aus der nach der Stadt benannten Triologie bis im letzten Jahr nur der dritte Band „Halbes Brot“ auf deutsch erschienen.

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Zwischen An- und Enteignung. Anmerkungen zum Plagiat im Expropriationsverhältnis der Wissenschaft

Wenn in der Wissenschaft von Plagiaten die Rede ist, dann wird dies meist als ein Verstoß gegen „geistiges Eigentum“ verstanden. Damit übernimmt man aber eine Rahmung einer neoliberalen Eigentumsordnung (kritisch hierzu etwa Hardt 2005). Ich meine, dass ein Plagiat so weder epistemisch noch normativ angemessen gefasst wird. Und diese beiden Dimensionen hängen eng zusammen. Als Verstoß gegen geistiges Eigentum wären Plagiate doppelt zu fassen: einerseits verletzen sie die Rechte des Verlages, der sich ja oft die Rechte an entsprechenden Texten sichert. Erst sekundär werden hier die Rechte der Autor*in verletzt, und dies vor allem, sofern das Urheberrecht diesen ein unveräußerliches Recht an ihrem Produkt zugesteht.

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Academics on Mastodon – some notes on a minimal web app for creating customized following lists for the Fediverse

Several days ago I saw the opportunity, that some of my sociological colleagues would move from twitter to the Fediverse. I started a simple list in this blog, to help them find each other. Thomas Haase then suggested making a CSV file from the list, to allow importing it in Mastodon. I thought, it would be nice to have a simple way of choosing whom to follow, so I wrote a very rustic webpage, that generates the CSV file based on your selection. As this was quite simple, I thought some friends could perhaps be interested in adepting it to their disciplines. I did not expect it to scale very much.

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Academics on Mastodon – let’s connect!

Things are evolving quickly: This page is outdated. There is a new page which collaboratively gathers lists based on Academcis on Mastodon. Please visit https://github.com/nathanlesage/academics-on-mastodon.

How to find your academic peers on mastodon? Or discover new interesting researchers in your discipline? I started a list of sociologists, which now turned to a minimalistic web app that has been adapted for other disciplines. Here I try to give an overview over these different websites.

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Soziolog*innen auf Mastodon – eine Liste

Da es in den letzten Tagen soziologischen Zuwachs auf Mastodon gab, hier mal eine Liste zur besseren Vernetzung. Vorab aber auch der Hinweis, dass es die Gruppe @sociology@a.gup.pe gibt. Diese funktioniert wie ein Retweet-Bot. Erwähnt sie bei einem soziologisch relevanten Post und dann wird dieser automatisch geboostet, so dass alle Follower der Gruppe ihn in der Timeline sehen.

Ich schicke diese Liste auch über die Gruppe herum, aber es scheint mir auch sinnvoll, hier eine Sammlung zu haben, um zukünftig ergänzen zu können. Also los …

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