Die Demokratie der Formaldemokraten

Zu was für bewunderungswürdigen Gedankenpirouetten die allpräsenten Formaldemokraten doch fähig sind!
In unnachahmlicher Logik stellt Berlusconi am 2.5.2011 vor dem Gericht von Mailand, als Zeuge in einem Korruptionsprozess geladen, fest: „…però è certamente qualcosa che non va nella direzione giusta per una democrazia di avere il proprio responsabile di governo sottoposto all’umiliazione di passare delle ore in tribunale…“. Es ist also gegen die Demokratie, wenn die gewählten Regierungsvertreter gezwungen werden können, ihre kostbarste Zeit in einem Gerichtsgebäude zu verbringen.

Was heißt unnachahmlich? Aus Reihen der CDU ist das natürlich auch möglich! (Und wohl leider nicht nur aus ihren.) Die Liebe Frau Gerda Hasselfeldt bemerkte zu Christian Wulffs Kredit- und Presseaffäre: „Also ich finde, dass das Amt des Bundespräsidenten ein so wichtiges ist und es auch für uns gebietet, dass wir uns mit diesen Details in der Öffentlichkeit nicht auseinandersetzen sollten.

Perfektere Beispiele zur Unterfütterung der Kritik an der Demokratie als einer leeren Ideologie, einem bloßen institutionellen Sosein lassen sich schwer finden. Die hohen Ämter der Demokratie sind viel zu hoch, als dass man sie kontrollieren, kritisieren dürfte. Oder kurz: Die Demokratie ist viel zu wichtig, als dass man sie ernstnehmen dürfte!

Heideggers Sprache der (A)Materialität

Heidegger ist der Kronzeuge der neuen Dingsoziologie. Dabei ist das Verhältnis der Sprache dieser Theorie zu der Dinglichkeit der Dinge interessant. Erinnert man sich an die Kritik Adornos an Heideggers naturalisierender Sprache, so scheint es, dass Heidegger gerade die Widerständigkeit des Materialen (so man denn das Materiale als gegenüber Konzepten widerständiges versteht) in der Sprache vernichtet. Die Wald-und-Wiesen-Metaphorik Heideggers, die die Künstlichkeit der Sprache verschleiert, oktroyiert den Dingen ihre scheinbare Natürlichkeit. Ihr können die Dinge kaum noch entkommen. Demgegenüber wäre eine Dingsoziologie, die der Materialität der Dinge gerecht werden will, darauf angewiesen, die Arbitrarität der Sprache sichtbar und damit reflektierbar zu machen.

Eklektizistische Theorie

Der empirische Eklektizismus, der im Zentrum der Kritik der quantitativen und qualitativen Empiriker steht, wird komplettiert durch einen theoretischen, der nicht minder gefährlich ist. Theorie ist in Gefahr eben so wenig ernst genommen zu werden, wie Empirie. Und dieser theoretische Eklektizismus wäre Luhmann wohl mehr vorzuwerfen als sein empirischer.

Die Geschichten der Sofas

Gespräch von zwei Referendarinnen/Lehrerinnen im Café Annabatterie in Mainz über die Vintage-Sofas:

A fragt sich, wo sie (die Besitzer des Cafés) wohl diese Sofas her haben.
B meint, vom Sperrmüll, verweist aber auch auf ein Second Hand Laden. Die beiden verabreden sich, dort nach einem Sofa Ausschau zu halten.
A meint dazu: „Ich finds schön, wenn Möbel ne Geschichte erzählen.“
B: „und das tun die dann auch [wenn man die in diesem Laden kauft, DA].“

Warum erzählen diese Möbel eine Geschichte? Weil sie alt sind und ein paar Schnörkel haben? Welche Geschichte sollten sie ‚erzählen‘? Sie mögen eine haben, aber woher der Glaube, etwas davon ließe sich an ihnen selbst ohne weiteres ablesen? Und wäre das ernsthaft überhaupt gewollt? Etwas, dass Hündchen Herta mal darauf gepisst hat?

Die Geschichte ist wohl eher eine Als-Ob-Geschichte, die die Rolle eines Einrichtungseffektes annimmt. Alles für den schönen Schein der narrativen Tiefe. Selbst die Möbel müssen in der Erlebnisgesellschaft noch Zeugen eines (abstrakten) Erlebnisses werden.