Klaus Kraemer über öffentliche Soziologie im „Schockzustand“ der Corona-Krise – keine Entgegnung

Im Sommer letzten Jahres hat Heinz Bude in der Zeitschrift der Deutschen Gesellschaft für Soziologie über seine Tätigkeit als Berater für die Politik im Hinblick auf die Corona-Politik und seine Aktivität in der No-Covid Initiative geschrieben (Bude 2022). Im jüngst erschienen Heft der Zeitschrift reagiert Klaus Kraemer nun mit einer „Entgegnung“. Auch wenn deutlich ist, dass Kraemer sowohl an der Tätigkeit Budes als auch an seinem Text einiges auszusetzen hat, ist nicht ganz klar, auf was Kraemer nun genau entgegnet, beansprucht Bude doch gar nicht eine These vorzubringen, die man mit einer einfachen Gegenthese beantworten könnte, sondern reflektiert vor allem auf seine Erfahrungen.

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The same procedure as every wave? Soziale Ungleichheit und Gesundheitsrisiken in der vierten Welle

Langsam zeichnet sich ab, dass der Abwärtstrend der Verbreitung des Corona-Virus vorbei ist. Der 7-Tage-R-Wert liegt seit Tagen um 1. Und statt jetzt mit vergleichsweise wenig Aufwand „ZeroCovid“ anzustreben, stimmt Armin Laschet mal wieder auf eine Aussitz-„Strategie“ ein und bemüht dazu die bekannte Leerformel vom „mit dem Virus leben“ – was ja heißt, das Sterben mit dem Virus nicht ganz so energisch zu bekämpfen. Und das, obwohl wissenschaftlich klar ist, dass die Impfquote keineswegs so ist, dass nichts mehr zu befürchten wäre (siehe auch England). Man setzt also mal wieder auf die ineffizienteste Entscheidung. Denn an dem Punkt, an dem man das Aussitzen nicht mehr durchhalten kann, ist das Bremsen dann extrem teuer. Das muss man keinem mehr erklären. Ignoriert wird es trotzdem.

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„Die Ängstlichen“ – Angst und stochastischer Selbsttechnik

Lehnt man im Kontext der Corona-Pandemie bestimmte Handlungen ab, besteht man etwa auf dem Tragen einer Maske in einer kleineren Gruppe etc., so wird dies schnell als Folge eines subjektiven und emotionalen Zustandes gedeutet – man sei verunsichert und ängstlich, reagiert deshalb über, so die Annahme. Elizabeth Stokoe hat in diesem Zusammenhang in einer kleinen Reihe von Tweets vorgeschlagen, die „Ängstlichen“ als eine Art membership category zu fassen. Als Mitgliedskategoriesierungen bezeichnet die Konversationsanalyse – sehr grob gesprochen – Einordnungen von Menschen in Kollektivbezeichungen, die mit Vorstellungen darüber einhergehen, wie diese Menschen sind, wie sie sich Verhalten und wie sie zu Menschen, die mit anderen Kategorien bezeichnet werden, in Beziehung stehen. Mit den „Ängstlichen“, so scheint es, werden Handlungen in einem Typ von Menschen zusammengefasst, und erscheinen damit sogleich als irrational und nahezu pathologisch (https://twitter.com/LizStokoe/status/1299122381345169409). Aber ängstlich zu sein, muss nicht nur eine Fremdzuschreibung sein. Man kann sich sogar damit, zu den »Ängstlichen« zu gehören, für seine störende Insistenz auf Regeln ›entschuldigen‹. Für seine Ängste kann man ja nichts! Gerade diese Verwendung verweist darauf, dass es hier nicht bloß um individuelle Zuschreibungen handelt, sondern in gewisser Weise um einen objektivierten Typen, mit dem wir durch bloße Erwähnung bestimmte Deutungen unserer Motive und unseres Handelns aufrufen und Erwartungen aushandeln aushandeln können.

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Vier Thesen zur Psychodynamik des Social Distancing – von Freude, Frust und Aggression

Gegenwärtig gibt es einen emotional aufgeladenen Diskurs um den Umgang mit Social Distancing. Einerseits kann eine moralisierende Abwertung „unsolidarischer“ Nah-Sozialität ausgemacht werden, andererseits wird auch wiederum die Reaktion auf diese kritisiert, in dem z. B. eine Tendenz zur Denunziation ausgemacht wird. In diese Wiedersprüche fühle ich mich selbst unmittelbar versetzt. Immer wieder ärgere ich mich. Bei Menschen, die meine Bemühungen Abstand zu halten mit der konsequenten Nutzung der Mitte des Bürgersteigs quittieren – so dass ich im Zweifel auf die Straße ausweichen müsste. Bei der Beobachtung einer kleineren Gruppe grillender Menschen – während ich selbst mir am Oster-Wochenende einen Besuch bei meiner Mutter versage. Ich möchte diese emotionale Selbstbeobachtungen als Anlass für ein paar Grundlegende Überlegungen zur Psychodynamik des Social Distancing nehmen, die uns wohl noch einige Zeit begleiten wird.

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