Klaus Kraemer über öffentliche Soziologie im „Schockzustand“ der Corona-Krise – keine Entgegnung

Im Sommer letzten Jahres hat Heinz Bude in der Zeitschrift der Deutschen Gesellschaft für Soziologie über seine Tätigkeit als Berater für die Politik im Hinblick auf die Corona-Politik und seine Aktivität in der No-Covid Initiative geschrieben (Bude 2022). Im jüngst erschienen Heft der Zeitschrift reagiert Klaus Kraemer nun mit einer „Entgegnung“. Auch wenn deutlich ist, dass Kraemer sowohl an der Tätigkeit Budes als auch an seinem Text einiges auszusetzen hat, ist nicht ganz klar, auf was Kraemer nun genau entgegnet, beansprucht Bude doch gar nicht eine These vorzubringen, die man mit einer einfachen Gegenthese beantworten könnte, sondern reflektiert vor allem auf seine Erfahrungen.

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Zur Kritik der Expertokratiekritik

In der Kritik an Expertokratie wird eine Seite interessanterweise oft vergessen: die der Wissenschaft selbst. Erst, wenn man aber einen genaueren Blick auf deren Strukturen und Praktiken richtet, wird es möglich, der populistischen Vorstellung einer Fremdbestimmung durch das „Wissen“, das implizit als Ausdruck einer dem Volk entgegenstehenden heteronomen Elite gedeutet wird, nicht nur quasi wissensfreie Sphären von Werturteilen oder Antagonismen entgegenhalten – die vermeintlich reine Politik –, sondern eine Demokratisierung der Wissensproduktion. Diese kann sich auf unterschiedliche Ebenen erstrecken: die Demokratisierung wissenschaftlicher Institutionen, die Zurückdrängung kommerzieller Interessen, die Ausweitung der aktiven und passiven Teilhabe an Forschung …

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Wissenschaft jenseits von Eindeutigkeits- und Uneindeutigkeitserwartungen

Vorletztes Jahr habe ich in einem Blog-Post auf die Eindeutigkeits- und Uneindeutigkeitserwartungen hingewiesen, denen sich Wissenschaft von Seiten politischer Akteur*innen ausgesetzt sieht. So soll Wissenschaft zum Teil die Legitimation für bereits gefasste politischen Entscheidungen liefern und also möglichst genau bestätigen, was man eh schon denkt. Dagegen verwehrt sich Wissenschaft häufig mit Verweis auf ihre Prozessualität, die vermeintlich Selbstverständliches stets neu hinterfragt, die auf einem fortwährenden Diskurs anstelle von definitiven Positionen beruht. Aber, im Kontext der Klimapolitik muss sich Wissenschaft nicht nur mit überzogenen und instrumentellen Eindeutigkeitsansprüchen auseinandersetzen, sondern auch mit Uneindeutigkeitsansprüchen: dann nämlich, wenn Verbindlichkeiten wissenschaftlichen Wissens völlig zerredet werden soll. Wenn es keine hundertprozentige Einigkeit unter Wissenschaftler*innen gibt, dann ist das mit dem Klimawandel ja eh alles unsicher und man muss eigentlich gar nicht erst drauf reagieren, so scheint hier manchmal das Denken zu sein. Endsprechende Klimaskeptiker*innen erwarten dann ihrerseits, dass Wissenschaft für ihre Zwecke hinreichend uneindeutig ist – und wo das nicht der Fall ist, wird auch schon mal durch Übertreibung, Verzerrung, Erfindung nachgeholfen. Insgeamt konstatiert Peter Wiengart (2021: 30):

„Je unsicherer (unabgeschlossener) wissenschaftliches Wissen ist, desto leichter kann es von Politikern nach ihren jeweiligen Überzeugungen und Interessen strategisch interpretiert und argumentativ eingesetzt werden.“

Ein besonders eindrückliches Beispiel dafür ist wohl immer noch Kristina Schröders lapidare Erwiederung auf den Hinweis, dass die Wissenschaftler*innen, auf die sie sich berief, mit der „Deutschenfeindlichkeit“, von der sie gesprochen hatte, nichts zu schaffen haben wollten: „So ist das in der Wissenschaft. Jeder zieht seine eigenen Schlussfolgerungen.“

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Die Wissenschaft der Klimaleugner – Über Eindeutigkeits- und Uneindeutig­keits­ansprüche an Wissenschaft

Beim aktuellen öffentlichen Streit um den Klimawandel kommt es zu einer interessanten Umkehrung im Verhältnis von Wissenschaft und Politik. Während die Wissenschaft zumeist die Eindeutigkeits­erwartungen von Politik und Öffentlichkeit nicht erfüllen kann und will, tritt hier zum Teil das Gegenteil ein. Die Wissenschaft kann die Uneindeutigkeitsansprüche von Teilen der Öffentlichkeit und Politik nicht erfüllen. In der Wissenschaft gebe es ja notwendig immer Uneinigkeit und Streit und nie Konsens, heißt es. Kaum eine Wissenschaftler*in will sich in diesem Fall allerdings dafür hergeben, hier eine Uneinigkeit zu simulieren.

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