Bestimmte Negation kann heute nicht mehr als positiver Begriff gedacht werden, mit dem aus einem Widerspruch entweder zwingend eine richtige Tendenz sich ergäbe oder aber quasi-zwingend sich ein richtiger Weg gegenüber vielen falschen – wenn auch faktisch damit noch nicht ausgeschlossenen – auftäte. Bestimmte Negation hat heute vor allem Wert in der Kritik der abstrakten Negation, auf die die Praxis der Kritik heute unabhängig von theoretischer Einsicht bis auf seltene Ausnahmen zurückfällt. Die meiste Kritik bleibt fixiert auf die Trotzphase.
Rechnung
„… da geht die Rechnung nach hinten los.“
Dem Morgendrot entgegen – ein halbes Jahrhundert lang
Kim Jong-un, der letztes Jahr die Rolle des „Obersten Führers“ Nordkoreas von seinem Vater Kim Jong-il übernommen hat, beschert seinem Land laut La Stampa nun eine neue Hymne. Der euphorische Marsch „Auf zum letzten Sieg“ ist auf YouTube mit einem Propaganda-Video unterlegt eingestellt. Mehr als sechzig Jahre nachdem Nordkorea sich eine sozialistische Verfassung gegeben hat und drei Jahre nachdem die Idee des Kommunismus in der Verfassung gänzlich aufgegeben wurde um offiziell der Ideologie des absoluten Vorrangs des Militärs Platz zu machen wundert es, welches letzte Gefecht da noch anstehen soll. Aber neben des Exibitionismus militärischer Potenz scheint die Symbolik dieser ‚befreiten Gesellschaft‘ insgesammt auswegslos anachronistisch. Es drängt sich die Frage auf, woher die Farbfilme der sich kämpfend gebenden Arbeiterklasse (0:54 min) kommen sollen, hat diese doch seit mindestens 1953 den Streik nicht mehr nötig. Und auch, dass es nach mehr als einem halben Jahrhundert immer noch dem Morgenrot entgegen geht (2:31 min), wo man doch schon lange den Horizont überschritten hat, mag erstaunen.
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Politiken des Raums
Arbeitslose Weber
Das immer mehr um sich greifende Gefühl, am Wirtschaftsgeschehen nur noch geduldet teilzuhaben, ist ein Gefühl, dass zum emotionalen Urhaushalt des Kapitalismus gehört. Es ist das generalisierte Erbe des Tagelöhnertums. Wie so vieles hat Gerhart Hauptmann es unvergleichlich treffend in seinen Webern erspührt, wenn er sie vor der Auszahlung ihrer Hungerlöhne beschreibt: „Arbeitslose Weber“ weiterlesen
Nazimethoden…
Das Argument: „Das sind ja dieselben Methoden wie…“, mit dem das Handeln gegen rechte Positionen diffamiert wird, sollte endlich ausgedient haben. Die durchaus richtige Erkenntnis, dass der Zweck nicht unabhängig vom Mittel, der Inhalt nicht von der Form ist, hat es weit hinter sich gelassen. Das Mittel ist eben auch nicht unabhängig vom Zweck. „Nazimethoden…“ weiterlesen
Tabu(ver)brecher
Um nicht über Günter Grass zu sprechen.
Um nicht nicht über die Qualität von Gedichten zu sprechen.
Um nicht über Israel zu sprechen.
Um nicht über den Iran zu sprechen.
Um nicht über das Aufrechnen deutscher Vergangenheit zu sprechen.
Die Tabupistole ist wohl momentan eins der Lieblingsinstrumente um Zustimmung zu erzwingen. „Tabu(ver)brecher“ weiterlesen
Affirmativität der Transparenz
„Der Transparenzzwang stabilisiert das vorhandene System sehr effektiv. Die Transparenz ist an sich positiv. Ihr wohnt nicht jene Negativität inne, die das vorhandene politisch-ökonomische System radikal in Frage stellen könnte. Sie ist blind gegenüber dem Außen des Systems. Sie bestätigt und optimiert nur das bereits Existierdende. Daher geht die Transparenzgesellschaft mit der Post-Politik einher. Ganz transparent ist nur der entpolitisierte Raum. Die Politik ohne Referenz verkommt zum Referendum.“
Byung-Chul Han
Transparenzgesellschaft
Das Ende der Arbeit
Als psychologischer Etappensieg des gegenwärtigen Kapitalismus kann gelten, dass uns alle Arbeit heute nur noch als geduldet vorkommt. Unsere Teilhabe an der großen selbstlaufenden Maschine ist bloß noch gütige Gabe. In diesem Sinne sind wir alle zu Antimarxistinnen geworden. Wir erleben die Arbeit nicht mehr als den mehrwertschaffenden Kern des Kapitalismus, sondern bestenfalls als Stöhrgröße der kybernetischen Selbstreproduktion. Sollten die Unternehmen sich gegen ihr Interesse doch entscheiden, uns an ‚ihrer‘ Produktion teilhaben zu lassen, so ist Dankbarkeit angezeigt.
Complexité intelligible
„L’explication scientifique ne consiste pas dans le passage de la complexité à la simplicité, mais dans la substitution d’une complexité mieux intelligible à une autre qui l’était moins.“
Claude Lévi-Strauss
La pensée sauvage