Tabu(ver)brecher

Um nicht über Günter Grass zu sprechen.
Um nicht nicht über die Qualität von Gedichten zu sprechen.
Um nicht über Israel zu sprechen.
Um nicht über den Iran zu sprechen.
Um nicht über das Aufrechnen deutscher Vergangenheit zu sprechen.

Die Tabupistole ist wohl momentan eins der Lieblingsinstrumente um Zustimmung zu erzwingen. Die Logik, der „Was gesagt werden muss“ von Grass genau so folgt, wie ein gewisser Sarrazin und all die anderen Tabuopfer: Entweder du stimmst mir zu, oder aber du widersprichst mir, womit du dann nur bestätigst, dass es ein Tabu gibt, womit du mir also doch noch recht gibst. Das ist rhetorische Erpressung und ebenso dumm wie dreist. Dumm, weil Wasauchimmer auf diese Art zu einem Tabu stilisiert werden kann. Und dreist, weil der Tabujammerer meint so mit seinem Publikum umgehen zu können. Am Ende vereinigen sich die Eitlen aller Seiten im kühnen Tabubrechergestus und alle können sich bestätigt fühlen, wenn auch nur eine*r wagt, nicht ihrer Meinung zu sein.

Welch Welt voll Tabus, wenn auch nur die hälfte der Tabubrecherheroen etwas anderes als selbstverliebte Paranoiker sind! Aber es stimmt doch nachdenklich, wenn Tabus in millionenschweren Auflagen und großen internationalen Zeitungen gebrochen werden. Hier offenbaren sich die Tabubrüche spätestens in bester Harmonie mit ‚den Medien‘, von denen sich unsere leidenden Helden doch so verfolgt und ungerecht behandelt fühlen.

Am Ende kommt es gar nicht darauf an, was ‚der Dichter‘ gesagt hat oder nicht, ob „Die Atommacht Israel gefährdet den ohnehin brüchigen Weltfrieden“ berechtigte Israelkritik oder antisemitisches Ressentiment ist. Was bleibt ist das entgrenzte Echo aller, die nun mit Verweis auf’s gebrochene Tabu meinen, endlich mal sagen zu können, was schon immer gesagt worden war – und immer schon dumm und falsch war.

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