Das Ende der Arbeit

Als psychologischer Etappensieg des gegenwärtigen Kapitalismus kann gelten, dass uns alle Arbeit heute nur noch als geduldet vorkommt. Unsere Teilhabe an der großen selbstlaufenden Maschine ist bloß noch gütige Gabe. In diesem Sinne sind wir alle zu Antimarxistinnen geworden. Wir erleben die Arbeit nicht mehr als den mehrwertschaffenden Kern des Kapitalismus, sondern bestenfalls als Stöhrgröße der kybernetischen Selbstreproduktion. Sollten die Unternehmen sich gegen ihr Interesse doch entscheiden, uns an ‚ihrer‘ Produktion teilhaben zu lassen, so ist Dankbarkeit angezeigt.

In diesem Sinne stimmt es nicht, dass heute über allen die Drohung des Ausschlusses hinge. „Du bist überflüssig, wirst nur noch geduldet!“ so bringt Dietmar Dath (2008: 18) den mentalen Defätismus, der uns beigebracht wurde, eliptisch auf den Punkt, und stellt treffend den Ausschluss nach vorne. Wir sind immer schon draußen, und rein kommen wir nur auf Raten; befristet wie der Zugang zu den privaten Vergnügungsbädern und Freizeitparks.

Die hierzu passende Rede von der Arbeitsgesellschaft ohne Arbeit, einer Ökonomie, die nur noch eines Restes der Arbeit bedarf, stellt die Kritik um von einer ökonomisch informierten, zu einer rein kulturellen. Kein Wunder, dass das Comité invisible keine ökonomische Notwendigkeit der Arbeit mehr ausmacht, und den Sinn der Arbeit nur noch in einer Disziplinierung von Arbeits- und Konsumptionssubjekten sieht:

„Travailler, aujourd’hui, se rattache moins à la nécessité économique de produire des marchandises qu’à la nécessité  politique de produire des producteurs et des consommateurs, de sauver par tous les moyens l’ordre du travail“ (Comité invisible 2007: 35).

So sympathisch auch die Absage an die orthodox-marxistische Sakralisierung der Arbeit ist und so berechtigt sie auch ist, die Wirklichkeit des gegenwärtigen Kapitalismus nicht auf Lohnarbeit und materielle Produktion zu reduzieren, so Fragwürdig ist doch der Glaube, dem Ökonomischen im engeren Sinne die Arbeit austreiben zu können. Dieser Kapitalismus, der uns nur als Ornament dulden will, ist Ideologie. Damit Profit heute Substanz hat, ist er darauf angewiesen, Partizipation und Ausbeutung zu verknoten. Diese Verknotung zweier widersprüchlicher Tendenzen hat die Lohnarbeit geleistet. Und diese Verknotung ist ökonomisch heute so notwendig wie eh und je – ob sie den Namen Arbeit trägt, oder nicht.

Dath, Dietmar 2008: Maschinenwinter. Wissen, Technik, Sozialismus. Eine Streitschrift, Frankfurt a.M.: Suhrkamp.

Comité invisible 2007: L’insurrection qui vient, Paris: La fabrique.

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