Arbeitslose Weber

Das immer mehr um sich greifende Gefühl, am Wirtschaftsgeschehen nur noch geduldet teilzuhaben, ist ein Gefühl, dass zum emotionalen Urhaushalt des Kapitalismus gehört. Es ist das generalisierte Erbe des Tagelöhnertums. Wie so vieles hat Gerhart Hauptmann es unvergleichlich treffend in seinen Webern erspührt, wenn er sie vor der Auszahlung ihrer Hungerlöhne beschreibt:

„Die meisten der harrenden Webersleute gleichen Menschen, die vor die Schranken des Gerichts gestellt sind, wo sie in peinigender Gespanntheit eine Entscheidung über Tod und Leben zu erwarten haben. Hinwiederum haftet allen etwas Gedrücktes, dem Almosenempfänger Eigentümliches an, der von Demütigung zu Demütigung schreitend, im Bewußtsein, nur geduldet zu sein, sich so klein als möglich zu machen gewohnt ist.“ (7)

Und so wie der Fabrikant Dreissiger sich seiner Güte rühmt, überhaupt jemanden auszubeuten –

„Die Sache ist nämlich die: damit ihr den guten Willen seht… ich kann natürlich keine Almosen austeilen, dazu bin ich nicht reich genug, aber ich kann bis zu einem gewissen Graden den Arbeitslosen Gelegenheit geben, wenigstens ’ne Kleinigkeit zu verdienen.“ (16)

– so sollen wir auch heute Dankbarkeit zeigen, wenn an uns Geld verdient wird. Und um „von Demütigung zu Demütigung“ zu schreiten, haben wir inzwischen ganze Ämter eingeführt.

Hauptmann, Gerhart 1959: Die Weber, in: Hans Schwab-Felisch: Hauptmann: Die Weber. Dichtung und Wirklichkeit, Frankfurt a.M./Berlin: Ullstein, S. 5-71.

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