Wo SoldatInnen geloben, müssen DemonstrantInnen schweigen

Das Verhältnis von Militär und Demokratie war immer schon ein problematisches. Die unrühmliche Rolle militärischer Verbände in der Weimarer Republik ist hinlänglich bekannt. Und inzwischen ist es auch kein Geheimnis mehr, dass beim Aufbau der Bundeswehr maßgeblich auf alte nazistische Generäle zurückgegriffen wurde. Ein Beispiel, wie ernst es mit der Demokratie ist, wenn es ums Militär geht, konnte heute in Mainz erlebt werden.

Bei der Kundgebung gegen das öffentliche (und damit zweifelsfrei auch demonstrative) Gelöbnis der Bundeswehr auf Platz der Mainzer Republik vor dem traditionsträchtigen Mainzer Deutschhaus, beendete die Polizei die Gegendemonstration gewaltsam. Der Anlass dafür war nicht etwa die Angst um die Sicherheit der Feierlichkeit oder die Angst, dass die DemonstrantInnen der Veranstaltung zu nahe kommen würden. – Eine kleine Gruppe junger (vermutlich Unionsnaher) Menschen durfte in priviligierter Position wenige Meter weg vom Gelöbnis eine Kundgebung zum Dank an die SoldatInnen abhalten. – Vielmehr reichte es aus, dass die friedliche Demonstration für die GelöbnisteilnehmerInnen wahrnehmbar war. Die Lautstärkeauflagen sollten sicherstellen, dass auf der Veranstaltung des Gelöbnis die GegendemonstrantInnen überhaupt nicht zu hören sind.

Weil sich aber die GegendemonstrantInnen durch polizeiliche Anordnung nicht zum Schweigen bringen ließen und sich mit Pfiffen und Rufen vernehmbar machen, zogen sich Polizistinnen unauffällig ihre Handschuhe an. Einheiten wurden aufgestellt. Keiner der Demonstranten versuchte weiter in Richtung des Gelöbnisses vorzudringen. Keine Demonstrantin verhielt sich agressiv. Die Polizei aber drängte mit Schlagstöcken und Helmen gerüstet in die Demonstration, drückte und schubste TeilnemerInnen zurück und auf den Boden. Allein die Tatsache, dass DemonstrantInnen stehen blieben, reichte jenseits dieses, von der Polizei ausgehenden Gerangels, dann auch aus, um Pfefferspray großflächig in eine Gruppe friedlicher DemonstrantInnen zu sprühen. Ohne Vorwarnung bekam ich selbst Pfefferspray unmittelbar ins Gesicht. Mit nicht einem/r der PolizistInnen bin ich vorher auch nur in Berührung gekommen. Das spielte aber offensichtlich ohnehin keine Rolle. Ziel der Polizei war es eine Demonstration niederzuknüppel, alleine deshalb, weil sie wahrnehmbar war. Und so musste beim Einsatz von Pfefferspray und Knüppeln nicht auf ein Vorwand gewartet werden, um die Aggression der Polizei auf eine Aggression von Seiten der DemonstrantInnen zu schieben.

Wie kommt die Polizei aber zu der Auffassung, dass es ihre Aufgabe wäre, die Demonstration unsichtbar zu machen? Bei antifaschistischen Demonstration ist immer wieder bestätigt worden, dass das Recht auf Demonstration auch heißt, dass die eigene gemeinsame Meinungsbekundung auch öffentlich wahrnehmbar sein muss. Wenn es ums Militär geht, spielt das aber offensichtlich keine Rolle mehr. Anscheinend müssen hier SoldatInnen und PolitikerInnen vor der Erkenntnis geschützt werden, dass Menschen existieren, die die erstrebte militärische Rolle Deutschlands ablehnen und kritisch nach der Rolle des Militärischen für eine demokratische Gesellschaft fragen. Wenn von Seiten der CDU und SPD die routiniert die Verfassungstreue von GegendemonstrantInnen in Frage gestellt wird, ist das vor diesem Hintergrund so durchschaubar wie lächerlich. Die Kritik der GegendeomonstratInnen wird durch die Kommentare der PolitikerInnen letztlich eigentlich nur bestätigt. So zitiert der SWR die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer:

„Auch Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) sagte laut einer Mitteilung der Landesregierung, das feierliche Gelöbnis sei keineswegs ein Beitrag zur Militarisierung des öffentlichen Raumes. „Unsere Bundeswehr gehört mitten in die Gesellschaft“.“

Wie die Bundeswehr aber in die Mitte der Gesellschaft getragen werden soll, ohne damit den öffentlichen Raum zu militarisieren, darauf bleibt Dreyer eine Antwort schuldig.

Und wenn der Bundeswehrbeauftragte, Hellmut Königshaus, meint, die Demonstrationen gegen das Gelöbnis seien absurd, weil die Soldaten ja gerade die Demonstrationsfreiheit verteidigen würden, so lässt es nicht nur tief blicken, dass mit Verweis auf die Demonstrationsfreiheit Demonstrationen für illegitim erklärt werden. Königshaus blendet offensichtlich auch problemlos eine lange Erfahrung mit dem Militär aus: regelmäßig richtet es zugrunde, was es zu schützen vorgibt. Freiheit und Frieden sind hier ein Beispiel. Im kleinen und alltäglich findet dies immer wieder statt, wo der Verweis aufs Militär dazu dient, demokratische Prinzipien auszusetzen. Heute in Mainz etwa, wo den DemonstrantInnen wie selbstverständlich das Recht abgesprochen wurde, sich wahrnehmbar zu machen.

Quellen:
http://www.swr.de/landesschau-aktuell/rp/umstrittene-zeremonie-in-mainz-demonstranten-stoeren-bundeswehr-geloebnis/-/id=1682/did=13637646/nid=1682/1hhzywi/ (24.6.2014, 20:30 h)
http://www.wormser-zeitung.de/politik/rheinland-pfalz/proteste-bei-bundeswehr-geloebnis-vor-dem-landtag-in-mainz_14262095.htm (24.6.2014, 21:09 h)

Aktualisiert 25.6.2014, 11:32 h

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