Lob der Baustelle

Meistens begegnet sie uns als Ärgernis. Sie hemmt das reibungslose Fortkommen, wenn etwa Fahrspuren verjüngt werden oder im Fall von Radwegen häufig einfach im Nichts enden. Ist sie nebenan, dann stört ihr permanenter Lärm. Zum Teil bringt sie gar die Wänden zu wackeln und raubt den Schlaf.

Die Baustelle erfährt allgemein keine große Wertschätzung. Wenn wir doch etwas an ihr finden, so höchstens die Verheißung ihres Zwecks. Etwas Gutes bietet die Baustelle erst, wenn fertig gebaut ist und die Presslufthämmer und Planierraupen abgezogen sind. Aber um die Baustelle wirklich in diesem Sinne als Träger einer Verbesserung zu erleben und als solche zu begrüßen zu können, fehlt uns heute wohl eine gute Portion des Fortschrittsoptimismus, der den Staub der Baustelle mythisch zum Goldstaub kommender Zeiten aufzuladen vermöchte. Die Euphorie, die etwa den Bau der A40 im Ruhrgebiet ab Ende der 1950er Jahre begleitete, wirkt darum inzwischen weitgehend befremdlich.

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Kleine Dialektik des Spiels

Das Spiel ist zugleich widerständige Praxis gegen den Kapitalismus als auch dessen miniatisierte reine Form. Widerständig, weil in seinem Selbstzweck es sich dem Imperativ der unmittelbaren Verwertbarkeit widersetzt. In seiner Imagination anderer Welten, die einer anderen Logik folgen – egal wie abstrakt diese sein mag – grenzt es ans Utopische. Zugleich aber liegt genau in diesem Einlassen auf die selbstzweckhafte Logik des Spiels das Wesen des Kapitalismus in Kleinform vor: das automatische Subjekt. Wie die Menschen durch dieses zur Anhängseln eines als natur- und schiksalhaft erfahrenen Laufs der Welt werden, der seinen Grund allein in sich selbst findet, ebenso verabsolutiert sich die doxa routinisierter Alltagspraktiken im Spiel zur reinen illusio, die sich auch nicht durch das volle Bewusstsein der Willkürlichkeit der so gesetzten Ordnung mehr beunruhigen lässt. Ist es beliebt, Monopoly dafür zu kritisieren, dass es Kinder auf die Logik des Kapitals abrichtet, wäre doch trefflicher zu kritisieren, dass es das Einlassen auf eine beliebige Logik, gar die Indentifikation mit ihr, einübt. Das Spiel lehrt die Frage nach dem Sinn des Ganzen nicht zu stellen.