Nietzsche setzt dem christlichen Nächstenliebe das Konzept der Fernstenliebe entgegen (Nietzsche 1968: 73 ff.). Damit bedient er letztlich einen typisch modernen Verdacht gegen den Altruismus. Die Nächstenliebe wird hier letztlich der kleingeistigen Beschränkung – man könnte sagen, des sekundären Egoismus – überführt. Damit ist Nietzsche vielleicht ungewollt christlicher als die Christen – wenn auch protestantisch: anstelle eines Altruismus, der auch die Wohltäter*in glücklich macht, wird die Selbstüberwindung, die Selbstverneinung als Voraussetzung des altruistischen Akts gesehen – dieser muss ‚selbstlos‘ sein. Paradoxerweise wird damit der „Täter“, das Ich ins Zentrum gerückt und nicht die Andere. Heute ist es zumeist eine quasi-ökonomische Eigennutztheorie, die gegen den ‚falschen‘ Altruismus ins Feld geführt wird. Was, ‚rational‘ gewählt wird, also auf den eigenen ‚Nutzen‘ aus ist, kann, so scheint es, nicht mehr an der Anderen orientiert sein.
„Entspannter Altruismus vs. Selbstlosigkeit“ weiterlesen