In der Eisdiele

Ich sitze in einem Eiskaffee. Nach Wochen des Regens hat die Sonne die Menschen in die Straßen getrieben. Ich kratze langsam etwas Eis aus dem Becher. Um mich herum hasten die Bedienungen, Kinder lachen und rücken unruhig auf ihren Stühlen hin und her, während sie sich das Eis eher neben als in den Mund führen. Ich blättere eine Seite meines Romans um. An einer Zwischenwand hängt ein Flachbildschirm, auf dem Nachrichten in Schleife laufen. Die deutsche Regierung verkauft Waffen an Saudi-Arabien; in der Türkei setzt der Staat nach einem furchtbaren Grubenunglück die Polizei gegen seine Bürger*innen ein, verbietet Demonstrationen und riegelt die Stadt am Unglücksort ab.
Mag man die allgemeine Zugänglichkeit von Nachrichten loben, schleudert das unaufhaltsam sich drehende Nachrichtenkarussell die „Informationen“ auch immer dahin, wo sie keine Konsequenzen haben können. Was auf dem Bildschirm dargeboten wird, ist so gelöst von jeglichem Handlungsvermögen, dass es in einer absurden Irrealität erscheint.
Es scheint ein Verbrechen, während eine Regierung in meinem Namen Waffen verscherbelt, von denen wir alle wissen, gegen wen sie nachher zum Einsatz kommen, weiter in einem Eisbecher zu kratzen. Und doch scheint es lächerlich zu glauben, die Welt würde besser, wenn ich mein Eis nicht esse.
Im Ende machen die Nachrichten die Welt aus Spagettieis und Espresso noch viel irrealer als sie in dieser erscheinen. Und vielleicht ist es diese verdoppelte Irrealität, die die unendliche Ohnmacht hervorbringt, in der wir uns alle gefangen fühlen.