Dialektik des Modernismus

Ein nicht unerheblicher Teil aktueller Diskussionen krankt an einem oberflächlich dialektischem Denken. Sie hangeln sich von abstrakter Negation zu abstrakter Negation. Aus den Fehlern des Modernismus lernte man mit einem derben Antimodernismus, dessen esoterische Auswüchse wiederum einen trotzigen Modernismus befeuerten. Demgegenüber wäre ein negativ-dialektisches Denken stark zu machen, dass trotz des Einwandes der Antithese die These nicht zum Feind erklärt, sondern an ihrem wahren Moment festhält. – Die Kunst ist es weder der Willkürherrschaft des Antimodernismus, noch der überheblichen Selbstgefälligkeit des Modernismus beizugeben.

Pudel ohne Kern

Es ist erstaunlich, als was für eine Sensation einem eine Zigarettenverpackung verkauft werden kann. In der sich am zum allgemeinen Chic gewordenen Comic-Ästhetik orientierenden Werbekollage, aus der die Zigaretten(schachtel) schräg herausragend sich uns anbieten, wird die Omnipotenz dieses Hightech-Pappquaders demonstriert. „Von 0 auf 19 in 1 Sekunde“ raunt uns der Qualmferrari an. Und geballter Raucherpotenz (trotz „Rauchen kann die Spermatozoen schädigen und schränkt die Fruchtbarkeit ein“) gesellt sich noch die postfuturistische Hochtechnisierung bei: „JPS Glide Tec.“. „Pudel ohne Kern“ weiterlesen

2016? Dann halt Tschüss…

Mal wieder für sich selbst sprechende Zitate:

„Eine schnelle Lösung gibt es nicht – weder für die Hausbesetzer noch für andere Kulturinitiativen, die auf günstige Räume in der Innenstadt schielen. ‚Die Stadt‘, so erklärt Kulturdezernentin Marianne Grosse (SPD), ‚hat keinen Raum, den sie günstig zur Verfügung stellen kann. ich kann mir leider keinen aus den Rippen schneiden‘. Die Zeiten seien vorbei, als die Stadt noch Räume hatte. Leider habe sich die finanzielle Situation geändert“ (Wagenknecht 2012). „2016? Dann halt Tschüss…“ weiterlesen

Großzügige Hohlgesten

„Auch der Gebäudeeigner scheint nun mit seiner Geduld am Ende: Am Dienstag haben die Stadtwerke bei der Staatsanwaltschaft Mainz einen Strafantrag wegen Hausfriedensbruchs gestellt. Nach ausgiebigen Diskussionen mit Bauaufsicht, Feuerwehr und Polizei über die Sicherheitslage und die Situation in dem besetzten Haus, habe man gestern Vormittag einen letzten Versuch unternommen, die Besetzer zum Verlassen des Gebäudes zu bewegen und um ein Gespräch gebeten, so Stadtwerke-Sprecher Michael Theurer. Die Besetzer hätten dieses Angebot verstreichen lassen und seien nicht auf die wiederholten Angebote zur freiwilligen Räumung eingegangen.“ (Jacobs 2012)

Unabhängig davon, dass zweifelhaft ist, wer hier nicht zu Gesprächen Bereit ist (Grützner 2012), ist es interessant was doch heute alles ein Angebot sein kann. Besetzerinnen wird „Angeboten“ – wiederholt sogar, so überbordend die Großzügigkeit – das Gebäude freiwillig zu räumen. Nun, da sollten sie aber dankbar sein! „Großzügige Hohlgesten“ weiterlesen

Braten statt Torte

Ich habe mir mal die Antrittsrede von Michael Ebling, dem Mainzer Oberbürgermeister, erneut durchgelesen. Das bedarf in der aktuellen Situation eigentlich keines Kommentares.

„[…] Einer dieser Schwerpunkte wird sein, Bürgerschaftliches Engagement zu fördern und auch zu fordern. Ich möchte die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt noch stärker als bisher an politischen Entscheidungen beteiligen und bürgerschaftliches Engagement unterstützen.
[…] „Braten statt Torte“ weiterlesen

Nullschrumpfsprachen

Der Versuch der Piratenpartei, neue Arten der Diskussion und Entscheidungsfindung zu etablieren, wurde von vielen Seiten mit Sympathie verfolgt. Uns so konnte auch die Antwortverweigerung von ‚Kapitäninnen‘ der Piraten mit Verweis auf demokratische Prozesse, in denen die Antwort erst entschieden wird, anfangs noch als Zeichen eines anderen Politikstils verstanden werden. Inzwischen werden solche Antwortverweigerungen allerdings Teil eines sehr gewöhnlichen Politbetriebs. „Nullschrumpfsprachen“ weiterlesen

Professional Care

Bei aller Sympathie für die ANT glaube ich doch, dass das Ausmaß der an die Zahnbürste „Oral-B Professional Care“ deligierten professionellen Pflegekompetenzen recht begrenzt ist.

Die Freiheit des Monsieur Charest

Nachdem die Regierung Québecs unter Jean Charest immer deutlicher macht, dass es wohl im September zu Wahlen in der französischsprachigen Provinz Kanadas kommen wird, bestätigen sich zunehmend auch Vermutungen über die Motive der katastrophalen Politik der Regierung gegenüber den Studierendenprotesten während der letzten Monate. Immer wieder wurden Verhandlungen aus unnachvollziehbaren Gründen verhindert oder platzen gelassen; immer wieder wurde durch zynische Kommentare – etwa der, die Studierenden in den hohen Norden, das Sibirien Québecs, loswerden zu wollen – die Verhandlungsbasis für eine Lösung des Konfliktes zerstört; immer wieder gab es direkte Versuche der Repression. „Die Freiheit des Monsieur Charest“ weiterlesen

Die Banalität der Vertreibung

Slavoj Žižek schreibt im Anfang seines „Parallax View“, dass das Jahr 2003 zwei erstaunliche Tatsachen zu Tage gefördert habe. Erstens sei Walter Benjamin auf der Flucht offensichtlich von stalinistischen Agenten getötet worden und habe sich nicht, wie bisher angenommen, selbst das Leben genommen. Zweitens sei von Anarchistinnen im spanischen Bürgerkrieg zum ersten mal mit den Prinzipien der modernen Kunst gefoltert worden. Der moderne Künstler Alfonso Laurencic hatte Erkenntnisse der modernen Farb- und Formlehre, wie sie etwa am Bauhaus erarbeitet worden, in die Gestaltung von Zellen als ‚Psychotechnik‘ der Folter eingebaut (vgl. Combalia 2003). „Die Banalität der Vertreibung“ weiterlesen

Abstrakter Trotz

Bestimmte Negation kann heute nicht mehr als positiver Begriff gedacht werden, mit dem aus einem Widerspruch entweder zwingend eine richtige Tendenz sich ergäbe oder aber quasi-zwingend sich ein richtiger Weg gegenüber vielen falschen – wenn auch faktisch damit noch nicht ausgeschlossenen – auftäte. Bestimmte Negation hat heute vor allem Wert in der Kritik der abstrakten Negation, auf die die Praxis der Kritik heute unabhängig von theoretischer Einsicht bis auf seltene Ausnahmen zurückfällt. Die meiste Kritik bleibt fixiert auf die Trotzphase.