Diskursive Autorität und Unfehlbarkeit – Trump und die „Never Trumpers“

Es steht schlecht um den US-amerikanischen Präsidenten. Folgt man den Aussagen der letzte Woche öffentlich gegangenen Amts­ent­hebungs­verfahrens (genauer eigentlich: den parla­men­tarischen Vorermittlungen dazu, ob ein solches Verfahren formal durchgeführt werden soll), so deutet alles darauf hin, dass Donald Trump staatliche Mittel zur militärischen Unterstützung der Ukraine missbraucht hat, um vom ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj persönliche politische Gefälligkeiten zu erpressen. Insbesondere sollte die dieser – rechten Verschwörungs­theorien folgend – die Untersuchung einer vermeintlichen Einmischung der Ukraine in die US-Wahlen 2016 einerseits und Ermittlungen gegen den ehemaligen Vize-Präsidenten und aktuellen demokratischen Präsi­dent­schafts­kandidaten Joe Biden und dessen Sohn öffentlich ankündigen. Vor allem letzteres ist Stein des Anstoßes, weil Trump hier die US-Außenpolitik für den Angriff auf einen innenpolitischen Gegner nutzt – und das heißt auch: einen anderen Staat zur Beeinflussung des ameri­kanischen Wahlprozesses auffordert.

„Diskursive Autorität und Unfehlbarkeit – Trump und die „Never Trumpers““ weiterlesen

Von Subjektposition zu Subjekträumen – Überlegungen zum Verhältnis von Diskurs und Subjekt

In strukturalistischer Tradition geht die französische Diskursanalyse davon aus, dass Subjekte dem Diskurs nicht zugrunde liegen, sondern von diesem allererst erzeugt werden (vgl. Angermuller 2014: 138). In diesem Kontext ist von „Subjektpositionen“ die Rede. Und während diese als zu starre Konzeption der diskursiven Hervorbringungen und Determinierung des Subjekts kritisiert werden (vgl. Schatzki 2002: 194 ff.), so ist doch die Plausibilität dessen nicht abzustreiten, dass wir nicht aus freien Stücken sprechen; dass – um gehört und ernstgenommen zu werden – wir einen Ort im Diskurs adaptieren müssen. Gerade aus diesem Sachverhalt entsteht ja eine ganze Reihe an Ambivalenzen kritischer Interventionen in den Diskurs, da diese, um wirksam werden zu können, in gewisser Weise immer auch ein Stück weit dazu genötigt werden, das kritisierte zu stützen. Im Diesseits, so könnte man zuspitzen, lässt sich nicht von einem Nicht-Ort, einem ou-topos aus sprechen, in dem die gegenwärtigen Verhältnisse schon überwunden wären.

„Von Subjektposition zu Subjekträumen – Überlegungen zum Verhältnis von Diskurs und Subjekt“ weiterlesen

Ideologiekritik und Hegemonie – zu einem ambivalenten Verhältnis

Interessanter als die Kritik der Dominanz der hegemonialen kulturellen Ordnung ist für eine Ideologiekritik vermutlich: zu sondieren, inwieweit sich an ihren Rändern, in Sub- und Gegenkulturen vermittelt eine Affirmation jener hegemonialen Ordnung ausmachen lassen, oder aber Momente einer wirklichen utopischen Alterität aufscheinen. Darüber hinaus finden sich aber zwei weitere nicht-triviale Optionen, Optionen also die also eine bloße Bestätigung der vorgewussten Ablehnung des herrschenden Wissens überschreiten, die zugleich aber das Terrain einer Ideologiekritik erheblich verkomplizieren: Das Aufweisen widerspenstiger Momente innerhalb der hegemonialen Ordnung einerseits. Und andererseits: die Möglichkeit einer dystopischen Alterität in Gegenkulturen zu erspüren. Letzteres hat seine Dringlichkeit insbesondere, seit der Faschismus des 20. Jh. endgültig den Glauben an garantierten Fortschritt der Menschheit zerstört hat.

„Ideologiekritik und Hegemonie – zu einem ambivalenten Verhältnis“ weiterlesen

„Gefährliche Filme“ und die (Un-)Wirksamkeit der Kunst

Angesichts des neuen Joker-Films von Todd Phillips wird vor der Gefahr gewarnt, die Darstellungsweise des Films könne Gewaltnachahmungen stimulieren. Besonders in der USA werde diskutiert, so Holger Heiland in seiner Rezension aus der Jungle World, „ob der Film gar eine Welle von ‚incel violence‘ auslösen könne“, also Gewalt von misogynen Gruppen von jungen Männern, die ihre Jungfräulichkeit und eine gefühlte Ablehnung durch Frauen als Ausgangspunkt von Verschwörungs- und Gewaltphantasien – und immer wieder auch: Gewaltakten – nehmen.

„„Gefährliche Filme“ und die (Un-)Wirksamkeit der Kunst“ weiterlesen

Die Wissenschaft der Klimaleugner – Über Eindeutigkeits- und Uneindeutig­keits­ansprüche an Wissenschaft

Beim aktuellen öffentlichen Streit um den Klimawandel kommt es zu einer interessanten Umkehrung im Verhältnis von Wissenschaft und Politik. Während die Wissenschaft zumeist die Eindeutigkeits­erwartungen von Politik und Öffentlichkeit nicht erfüllen kann und will, tritt hier zum Teil das Gegenteil ein. Die Wissenschaft kann die Uneindeutigkeitsansprüche von Teilen der Öffentlichkeit und Politik nicht erfüllen. In der Wissenschaft gebe es ja notwendig immer Uneinigkeit und Streit und nie Konsens, heißt es. Kaum eine Wissenschaftler*in will sich in diesem Fall allerdings dafür hergeben, hier eine Uneinigkeit zu simulieren.

„Die Wissenschaft der Klimaleugner – Über Eindeutigkeits- und Uneindeutig­keits­ansprüche an Wissenschaft“ weiterlesen

Entspannter Altruismus vs. Selbstlosigkeit

Nietzsche setzt dem christlichen Nächstenliebe das Konzept der Fernstenliebe entgegen (Nietzsche 1968: 73 ff.). Damit bedient er letztlich einen typisch modernen Verdacht gegen den Altruismus. Die Nächstenliebe wird hier letztlich der kleingeistigen Beschränkung – man könnte sagen, des sekundären Egoismus – überführt. Damit ist Nietzsche vielleicht ungewollt christlicher als die Christen – wenn auch protestantisch: anstelle eines Altruismus, der auch die Wohltäter*in glücklich macht, wird die Selbstüberwindung, die Selbstverneinung als Voraussetzung des altruistischen Akts gesehen – dieser muss ‚selbstlos‘ sein. Paradoxerweise wird damit der „Täter“, das Ich ins Zentrum gerückt und nicht die Andere. Heute ist es zumeist eine quasi-ökonomische Eigennutztheorie, die gegen den ‚falschen‘ Altruismus ins Feld geführt wird. Was, ‚rational‘ gewählt wird, also auf den eigenen ‚Nutzen‘ aus ist, kann, so scheint es, nicht mehr an der Anderen orientiert sein.

„Entspannter Altruismus vs. Selbstlosigkeit“ weiterlesen

Lob des Speedmetal – Heavy Metal und das Groteske

Metal ist vermutlich da am besten, wo er sich das Gefühl der Übertreibung, ja des Grotesken bewahrt. Daran wird man beim Hören mancher Klassiker erinnert, die im Buch Hear‘ em All des Mainzer Ventil Verlags besprochen wurden. Spüren kann man den Tanz auf den Grenzen des Spielbaren etwa im instrumentalen Intro des Albums Evil Invaders der Speedmetal-Band Razor. Dabei geht es hierbei – und das ist entscheidend – nicht um eine rein technische Grenze. Sie kann nicht durch Perfektionierung eingeholt werden.

„Lob des Speedmetal – Heavy Metal und das Groteske“ weiterlesen

Proust’sche Diplomatie

Proust verwendet die Listen und Winkelzüge der Staatenbeziehungen, insbesondere die Gewaltandrohungen, der Abschreckungsstrategien mit ihren zweifelhaften Ausgängen, als Allegorie für die von ihm minutiös beschriebenen Scharaden der Liebe und des sexuellen Besitzstrebens. Diese Allegorie ließe sich aber auch anders herum lesen: Die endlosen egoistischen Schachzüge und psychologischen Spielchen, die sich durch die sieben Bände der Suche nach der verlorenen Zeit ziehen, erleuchten in ihrer Befremdlichkeit und ihrer absurden Exzessivität das kleinliche und naiv-listige Herumstrategieren im Zwischenstaatlichen; seit Trump nicht nur propagandistisch begleitet, sonder primär in der Pseudoöffentlichkeit Twitters ausgetragen. Vom Wutausbruch im Sandkasten über das instrumentelle Taktieren in den zwischenmenschlichen Beziehungen zum Krieg ist dann ein beängstigend kurzer Weg. Den (un-)diplomatischen Akten wird durch die Unterstellungen von verborgenen wohlüberlegten Strategien und Verschwörungen vielleicht unberechtigt Reflektiertheit zugeschrieben. Einher geht damit eine Selbstüberschätzung der Akteure, deren Doxa die Lächerlichkeit des Ränkespiels notwendig verkennen muss.

Auf den Erfolg solcher Strategien im Großen kann man wohl wenig geben, bedenkt man, dass sie schon im Kleinen nicht funktionieren. Gerade die List Marcels um Albertine an ihn zu binden, treibt diese bei Proust endgültig von ihm fort.

Antikommunismus und Post-Faschismus

Der Antikommunismus war ein entscheidender hemmender Faktor für die vollständige Überwindung des Faschismus nach 1945, für die Einlösung des Versprechens einer „Stunde Null“. Kontinuitäten und Übergänge gab es etwa durch den Bund Deutscher Jugend, der von den amerikanischen Geheimdiensten geduldet, ja sogar gefördert wurde. Wehrmachtssoldaten und SS-Mitglieder wurden hier als nützlich für den Kampf gegen den Kommunismus angesehen und im Partisanenkampf ausgebildet. Der (inoffizielle) Geheimdienst dieses Bunds Deutscher Jugend, der „Technische Dienst“, führte Feindeslisten für den „Tag X“, die, nach der Auflösung des Technischen Dienstes, vollständig vom Niedersächsischen Verfassungsschutz übernommen wurden (Spiegel vom 26.11.1990).

„Antikommunismus und Post-Faschismus“ weiterlesen

Kritik der Identitätspolitikkritik

Es ist heute fast Mode geworden, die sogenannte Identitätspolitik dafür zu schmähen, dass sie die wahre Kritik, die Kritik an der sozialen Ungleichheit, pervertiere. Die Abarbeitung an Diskriminierung etc. wird als Ablenkung von den eigentlichen Verhältnissen gesehen, wenn nicht gar als Herrschaftsattitude der verschlagenen Eliten gegen den gutmütigen „Pöbel“, der nicht weiß sich in den überkorrekten Sprachgepfogenheiten auszudrücken – und so zu schweigen gebracht wird. „Kritik der Identitätspolitikkritik“ weiterlesen