Die Beschäftigungspolitik der Wissenschaft ist in einer Zwickmühle, in der Verbesserungen dringend nötig sind, aber jeder Schritt vor oder zurück alles noch schlimmer zu machen droht. Das wird sehr deutlich an der Diskussion um die aktuellen Reformen des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG). Es ist bezeichnend, dass Sätze wie die folgenden geschrieben werden können, ohne die Absurdität des Gesagten erklären zu müssen:
„Die gesetzliche Vorgabe einer Höchstbefristungszeit für Stellen in Lehre und Forschung ist für das Wissenschaftssystem dysfunktional. Denn: Innovative und gründliche Forschung braucht in allen Disziplinen Zeit, Verlässlichkeit, Fehlerkultur. Das bedeutet aber: Flukturation, Prekarität, Ungewissheit und Abhängigkeit in bislang extrem hierarchischen Arbeitsformen schaden der Qualität von Forschung und Lehre.“ (Vorstand der DGS 2023: S. 353)
Scheinbar gar nicht erklärungsbedürftig ist, dass die „Vorgabe einer Höchstbefristungszeit“ – also das Einschränken von Befristungsmöglichkeiten – „Zeit, Verlässlichkeit, Fehlerkultur“ entgegensteht. Umgekehrt hieße das: Unbeschränkte Befristungsmöglichkeiten geben Zeit und führen zu Verlässlichkeit.
Diese Absurdität ist nicht der durchaus gelungenen Stellungnahme des DGS-Vorstands anzukreiden. Entsprechende Formulierungen wird man vielerorts finden. Und in der Beschreibung sind sie ja nicht einmal unzutreffend: Im gegebenen akademischen Beschäftigungssystem führt eine Herabsetzung der Höchstbefristungsdauer absehbar nicht dazu, dass mehr entfristet wird, sondern eher dazu, dass das die Drehtür an den Universitäten noch beschleunigt wird und man rausgeschmissen wird, ehe man überhaupt richtig drin war.
Dabei ist allerdings das „im gegebenen Beschäftigungssystem“ nicht zu vergessen, wenn man sich nicht in diese Absurdität verstricken will. Denn im Modus kleiner Reformen, wird eine Verlängerung der Höchstbefristungszeit für noch weniger unbefristete Stellen sorgen (die man jenseits der Professur ja eh schon mit der Lupe suchen muss) – während eine Verkürzung lediglich zu noch kürzen Anstellungsdauern ohne nennenswerte Verminderung des Anteils befristeter Stellen führt (da Universitäten alles tun, um Entfristung zu vermeiden und so die Höchstbefristungsdauer zur Höchstbeschäftigungsdauer umdeuten).
Die Politik kann einem fast leidtun. Sie kann es auf dieser Ebene eigentlich nur verkehrt machen. Seit Jahren wird über Befristung geklagt. Und beim Versuch Befristungsmöglichkeiten zeitlich stärker einzuschränken, gibts was auf den Deckel. Das Mitleid wird jedoch dadurch geschmälert, dass die aktuelle Situation mit einem zerstörten und ausgequetschtem Mittelbau politisch, im Namen der vermeintlichen Wettbewerbsfähigkeit, über lange Zeit durchaus gewollte war (vgl. Bahr, Eichhorn und Kubon 2023). Aber trotzdem ist anzuerkennen, dass die Bechäftigungsverhältnisse an Universitäten so verfahren sind, dass auch gut gemeintes eigentlich nur noch desaströs enden kann.
Was ist nun die Folge daraus? Lieber alles beim Alten belassen? Bloß nichts anfassen?
Nein. Aber deutlich wird an der genannten Zwickmühle, dass sich das Problem angemessener Arbeitsbedingungen an Universitäten nicht mehr auf der Ebene kleinerer Verschiebungen im WissZeitVG lösen lässt. Es bedarf hier einer grundlegenderen Umsteuerung, die auch berücksichtigt, was dann in den einzelnen Ländern und in den einzelnen Universitäten aus Gesetzen gemacht wird. So wird eine Einschränkung von Höchstbefristung, die ich sehr begrüße, erst dann im gewünschten Sinne wirksam werden, wenn den Universitäten zugleich verunmöglicht wird Höchstbefristungsdauer faktisch zur Höchstbeschäftigungsdauer zu machen. Etwa indem nicht nur von Input her gesteuert wird (Vorgaben für die Vertragsgestaltung), sondern auch vom Output (z.B. über eine „Höchstbefristungsquote“).
Erfreulich wäre es, wenn eine grundlegende Reform der bestehenden Gesetze gelingen würde, die die Absurditäten der aktuellen Beschäftigungspolitik an Universitäten aufzulösen vermag. Meine Hoffnung schwindet hier aber immer mehr. Vielleicht bedarf wirklich erst eines großen Kladderadatsch, bevor sich etwas Nennenswertes tut.
Literatur:
Bahr, Amrei/Eichhorn, Kristin/Kubon, Sebastian (2022): #IchBinHanna. Prekäre Wissenschaft in Deutschland, Berlin: Suhrkamp.
Der Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (2023): Stellungnahme zur anstehenden Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes, Soziologie, 52, 3, S. 353f.