Der Hass-O-Mat – kann man Hass mit Hass bekämpfen?

Wieder mal eine Hassnachricht bekommen? Nun: Ein Knopfdruck und der Hass-O-Mat liefert unmittelbar deine individuelle Hassantwort.

Hass mit Hass bekämpfen ist natürlich eine blöde Idee. Aber doch ist an dem Gedanken eines automatisierten Hate-Speech-Generators etwas dran, gerade weil er nicht einfach als ungebrochene Fortsetzung sprachlicher Hassbekundungen funktioniert – so wenig wie eine algorithmisch erzeugte Liebesbekundung wohl der Liebe zuträglich sein wird.

Vor ein paar Tagen las ich den Artikel „Post vom Volk“ von Claudia Gatzka im letzten Heft des Merkur, in dem sie sich zeithistorisch mit Bürgerbriefen, Hass und der Konstruktion der politischen Masse auseinandersetzt. Darin formuliert sie en passant die These, dass die Aggressivität in Sozialen Medien nicht unvermittelt auf zunehmenden Hass zurückzuführen ist, sondern auch mit einem Sprachwandel zusammenhängt, in dem sich derselbe Hass anders ausdrückt.

„Das weitgehende Fehlen von vulgär-aggressiven Beleidigungen und Todeswünschen in Briefen aus der Zeit vor den 1990er Jahren muss also nicht auf weniger Hass hindeuten, sondern kann vielmehr auch niedrigeren Toleranzschwellen bei der alltagsprachlichen Beleidigungspraxis geschuldet sein. Wer Berufspolitiker aufrichtig hasste, dem schien Ende der 1960er Jahre der Ausruf ‚Ihr Schwachköpfe‘ eine befriedigende Invektive, sechzig Jahre und einige populärkulturelle Transformationen später muss es eben, um nach Markus Söder zu zitieren, ‚Ihr seid der perverseste Abschaum‘ lauten, um sein Gegenüber treffen zu können.“ (Gatzka 2022: 63).

Das ist ein interessanter Aspekt für den Hass-O-Mat, ist dieser doch letztlich nur ein Apparat, der aus Sprache Sprache macht, also Hassrede völlig vom Hass entkoppelt. Und darin liegt vielleicht gerade seine Kraft.

Hassrede lebt in gewisser Weise von einer Unmittelbarkeitsfiktion: Ihr Bedrohlichkeit wirkt in uns insbesondere als Ausdruck eines impulsiven Hasses, in dem Wort und Tat verschwimmt. Dies wird befremdet, wenn uns die Konventionalität der Drohungen und Verwünschungen vor Augen tritt. Und bei allem Erschrecken über die Imaginationskraft des Hasses, über die tausend Varianten einer gehassten Person den Tod zu wünschen, fällt doch auch die Repetitivität und Konventionalität entsprechender Zuschriften auf. Diese wird aktuell genutzt, wenn Mechanismen zur automatisierten Detektion von Hassrede gebaut werden, die diese anhand derer Muster aufspüren und klassifizieren sollen. Dabei wird bereits auf eine Art Hass-O-Mat gesetzt, wenn algorithmisch Hassrede generiert wird, um Deep Learning Modelle für das Erkennen von Hassrede zu trainieren. Ergebnis sind nicht immer die sinnvollsten Sätze. Wullach, Adler und Minkov (2020: 11) nennen in einer Liste generierter Kurztexte etwa: „for starters i know some of you never read this canadian quran is full of excuses why so many muslims are murdering islamists“.

Dass dies holprig ist, tut dem Hass-O-Mat aber keinen Abbruch. Er will ja nicht überzeugenden Hass hervorbringen, sondern eher einen gebrochenen Spiegel vorhalten. In dem er die Hassrede auf sich selbst zurückwirft, sie in ihrer Abgedroschenheit erkennbar macht, bricht er in gewisser Weise ihre ‚performative Kraft‘, wie man im Anschluss an Judith Butler (1997) sagen könnte. Er treibt ein Keil in das Tun der Wörter.

Da es hier nicht um die Authentizitätsfiktion geht, ist es sinnvoll, dass der generierte Hass als genau das sichtbar wird – etwa indem man den Hassenden einen Link schickt, unter dem sie sich ihren automatisierten Gegenhass dann selbst ziehen können.

Bei allem ist aber auch klar: Hassrede ist nicht nur Konvention. Die performative Kraft der Hassrede zu schwächen, schafft den Hass nicht aus der Welt und schützt auch nicht vor drohenden Übergriffen. Und das ist dann vermutlich auch genau der Punkt, wo der Hass-O-Mat als netter Einfall ausgedient hat. Denn so wichtig es sein kann, sich von der aufgeplusterten Großmäuligkeit der Hassenden nicht einschüchtern zu lassen, so wenig sollte die Gefahr unterschätzt werden, die hinter den Worten lauern kann. Nur ein Knopfdruck und der Hass ist gebannt – es wäre schön, wenn es so einfach wäre.

Literatur:

Butler, Judith 1997: Exitable Speech. A Politics of the Performative, New York/London: Routledge.

Gatzka, Claudia 2022: Post vom Volk. Geschichtskolumne, in: Merkur, 76, 880, 55–64.

Wullach, Tomer/Adler, Amir/Minkov, Einat 2020: Toards Hate Speech Detection at Large via Deep Generative Modeling, IEEE Internet Computing, 25, 2, 48–57.

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