Im November letzten Jahres habe ich, irritiert durch einen von der Stadt Mainz zum „Volkstrauertag“ gesponsorten Kranz am Denkmal für die 1914 vor Helgoland versenkte SMS Mainz, eine kleine Mail mit zwei Fragen an die Stadtverwaltung geschickt. Nun hat mich heute dann auch eine Antwort erreicht, die ich weiter unten poste. Hier aber zum besseren Verständnis noch mal die Anfragen an die Stadt.
„Sehr geehrte Damen und Herren,
am heutigen Tag ist mir aufgefallen, dass die Stadt Mainz zum sog. Volkstrauertag einen Kranz am Denkmal für die im ersten Weltkrieg gesunkene SMS Mainz am Adenauerufer abgelegt hat. Dies irritiert mich angesichts der Aufschrift der Säule.
Ich möchte deshalb nachfragen, ob die Stadt Mainz
1) den Einsatz der SMS Mainz als „künftigen Geschlechtern zur Nacheiferung“ empfohlen ansieht, und ob sie
2) die Einschätzung teilt, dass die deutsche Marine im ersten Weltkrieg die „Wahrung des Rechts“ anstrebte und für den „Frieden der Welt“ kämpfte?“
Nach über zwei Monaten hat die E-Mail dann einen „umfangreichen Weg durch verschiedene Ämter und Zuständigkeiten“ zurückgelegt (wie es in einer Vorbemerkung heißt) und ihre Antwort fand sich dann heute im meinem Postfach:
[…] Ich habe Ihre Nachfrage mit OB Michael Ebling erörtert und er bittet mich, Ihnen hierzu folgende Antwort zu geben:
Natürlich ist die Inschrift auf dem Denkmal aus heutiger Sicht mehr als fragwürdig, allerdings sprechen derartige Gedenkstätten immer auch die Sprache ihrer Errichtungszeit und sind damit Zeitzeugen der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Mit der Niederlegung eines Kranzes durch den Marine-Verein geht es der Stadt selbstverständlich nicht um Kriegsverherrlichung oder um Huldigung kaiserlicher oder gar nazistischer Weltmachtfantasien, sondern um das Gedenken der Opfer, die in einem Weltkrieg ihr Leben lassen mussten. Diesem Gedenken an Menschen, die in sinnlosen und für sie oft ausweglosen militärischen Auseinandersetzungen starben, gilt die Ehrung – als Erinnerung und als Mahnung gleichermaßen am Volkstrauertag an allen Gedenkstätten auf allen Friedhöfen in Mainz und anderswo – unabhängig vom unheilvollen Geist, der die Inschrift des Marinedenkmals am Fischtor durchdringt.
Mit den besten Grüßen aus dem Mainzer Rathaus
XXX“
Man Gedenkt in Mainz „und anderswo“ also der Opfer, indem man an den glorifizierenden Heldengedenktstättet den Tätern einen Kranz niederlegt.
Diese „Ehrung – als Erinnerung und als Mahnung“ ist unvereinbar mit der Inschrift dieser Säule, die zum Fanatismus des Krieges aufruft. Die Antwort aus der Verwaltung ist Rhetorik und stellt den Versuch dar, durch nichtssagende Worthülsen die Widersprüche und Unvereinbarkeiten glattzubügeln. Wer „sinnlosen und (…) ausweglosen militärischen Auseinandersetzungen“ Einhalt gebieten will, sollte nicht denen huldigen, die in den Krieg gezogen sind, sondern sollte die ehren, die sich dem Krieg verweigert haben.
Mich nervt diese Rhetorik. Ich halte Sie für eine Herabwürdigung der Sprache, weil Sie die Sprache auf das Beschwichtigen reduziert, anstatt aus ihr das Potenzial hervorzuholen Verständigung in die Welt zu bringen: Diese Sprache des Beschwichtigens lässt es nicht zu, Unterschiede anzuerkennen oder verschiedene Bewertungen desselben herauszuarbeiten. Sie dient dem Harmonisieren des nicht-Harmonisierbaren.
Vielleicht lohnt es sich nicht mehr diese Stellen und Ämter der Beschwichtigung anzurufen oder Sie in Gespräche einzubeziehen. Vielleicht gilt es sich denen zu widmen, die noch eine andere Sprache als die der Nivellierung sprechen.
Ich stimme dir voll zu. Ich glaube aber dennoch, dass es sinnvoll ist, Verwaltungen immer mal wieder dazu zu nötigen, sich explizit zu den Sachen zu verhalten, die sie machen. Und dann zu schauen, wie sie sich um Kopf und Kragen reden, oder eben in nichtssagenden Jargon verfallen. Die Sache ist sicher noch nicht abgeschlossen und man sollte die Stadt noch mal damit nerven. Leider fehlt mir dazu im Moment die Zeit.